Die reinste Zwickmühle: „Shantae“ für den Game Boy Color war im Jahr 2002 endlich in den amerikanischen Ladenregalen zu finden, doch der Game Boy Advance stand schon seit einem Jahr zum Kauf bereit. Selbstverständlich leistet sich da kaum einer mehr ein Spiel für den veralteten Handheld. Die Auflage von „Shantae“ war niedrig, die Verkaufszahlen ebenso und einige Jahre später gieren die Sammler danach. Die Virtual Console-Fassung für den Nintendo 3DS dürfte zumindest die Gebrauchtpreise deutlich nach unten drücken, denn nun dürfen sich selbst europäische Spieler an den Abenteuern der lilahaarigen Halbdämonin versuchen. Lohnenswert selbst nach einem Jahrzehnt? Jawoll.
Angriff auf Scuttle TownEin purpurner Schopf, ein rotes Kleid und magische Fähigkeiten: Shantae ist schon aus der Ferne zu erkennen. Da ist es ganz praktisch, dass sie über ihre Heimatstadt Scuttle Town wacht und diese vor Gefahren beschützt. Im Grunde ist das auch ganz einfach, was soll man aus dem Städtchen schon stibitzen wollen. Außer einer neuartigen Dampfmaschine, die es sonst nirgends auf der Erde gibt. Hey, Moment! Genau das ist für Diebe womöglich ganz interessant. Und so kommt es tatsächlich, dass Piraten die Stadt überfallen und die Dampfmaschine klauen. Wussten wir‘s doch.
Die fesche Piratenlady Risky Boots herrscht über ihre Meute und möchte mit der dampfenden Gerätschaft allerlei Böses anstellen. Neben Schätzen und Wohlstand hat Risky aber noch eine weitere Sache auf dem Schirm. Shantae soll endlich gestoppt werden, denn dann hätten die Piraten freie Bahn. Mit ihrer Armee der Tinkerbats geht Risky deshalb noch einmal härter gegen Shantae vor. Ob das die Halbdämonin so gut wegstecken kann?
Halb Mensch, halb DämonShantae muss sich also ordentlich verteidigen können und hat dazu einige Tricks auf Lager. Zu Beginn des Spiels kann sie zunächst nur auf ihre Haarpracht setzen. Mit einem gekonnten Schwung wird die lila Mähne ins Gesicht der Feinde geschleudert und diese damit dingfest gemacht. Durch gekonnte Sprünge weicht sie zudem gegnerischen Angriffen aus und hüpft von einer Plattform zur nächsten. Klingt also alles nach einem gewöhnlichen Jump‘n‘Run, wie man es vom Game Boy gewohnt war. Ist es irgendwie auch, doch gibt es einige nette Kniffe.
Als Halbdämonin kann sie einige zauberhafte Attacken nutzen, um die Widersacher noch schneller aus der Welt zu schaffen. Ausreichend Geld in den virtuellen Taschen vorausgesetzt, schickt Shantae beispielsweise todbringende Blitze auf nichtsahnende Feinde herab. Diese Spezialangriffe kann der Spieler in Läden erwerben und anschließend begrenzt einsetzen.
Die Hüften schwingenBei diesen gekauften Angriffen bleibt es aber nicht, denn Shantae ist auch eine begnadete Tänzerin. Das dämonische Blut sprudelt im Laufe des Spiels geradezu und lässt die Protagonistin interessante Formen annehmen. Dazu muss man einfach den Tanzmodus starten und die richtigen Tasten im Takt drücken – schon verwandelt sich Shantae unter anderem in einen kräftigen Elefanten. Dieser hat zwar in den Sprungpassagen kleinere Probleme, kann Feinde dafür umso stärker verletzen.
Bei tierischen Helfern bleibt es aber nicht, denn mit den Kräften kann sich die Halbdämonin auch an bereits besuchte Orte teleportieren. Das ist insgesamt wirklich nützlich, denn das Spiel besteht aus einer großen Welt. Anders als bei den bekannten „Mario Bros.“-Hüpfspielen sind die unterschiedlichen Welten dabei nicht in Level unterteilt, sondern gehen fließend ineinander über.
„Shantae“ ist demnach ganz schön ambitioniert und konnte zur Veröffentlichung so einiges bieten. Über zehn Jahre später stechen die Makel aber umso stärker heraus. So wird das Spiel beispielsweise nach den anfänglichen Stunden plötzlich deutlich fordernder, ohne dass der Spieler langsam an stärkere Feinde gewöhnt wird. Außerdem ist die Kamera ganz schön nahe am Geschehen, weshalb Sprünge ins Leere oft vorausgesetzt werden.
TechnikMan hat ein Spiel vom Game Boy Color vor sich, das steht außer Frage. „Shantae“ schaut trotzdem gut aus und überzeugt durch kräftige Farben und viele unterschiedliche Welten. Vom Heimatdorf der Dame bis zu den zahlreichen Dungeons, die sie durchstreifen muss, wird optisch viel geboten. Die Figuren sind dazu noch wirklich nett animiert und müssen sich selbst heute nicht verstecken. Da können die Melodien leider nicht ganz mithalten und kommen nicht über das piepsige Game Boy Color-Niveau hinaus.